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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
4. Das Fest der gefärbten Eier, ein Kinderfest
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O mit wie wenigem, sagte die Frau, kann man den Menschen eine große
Freude machen! Wer sollte nicht gern geben; indem ja geben seliger ist, als
empfangen! - Wer doch noch ein Kind sein könnte! Eine solche Freude
empfinden unter den Erwachsenen nur diejenigen, die ihr Herz rein und schuldlos
bewahrten. Nur diese noch leben in dem Paradiese der Kindheit - diesem
Gottesreiche schuldloser Freude.
Nun machte die Frau den Kindern wieder eine andere Unterhaltung. Manches Kind,
das nur blaue Eier bekam, hätte gern auch ein rotes oder gelbes gehabt.
Denen, mit den roten, gelben oder bunten Eiern ging es ebenso. die Frau sagte
daher den Kindern, sie sollen miteinander tauschen. Nur das Ei mit dem
Sprüchlein durfte nicht vertauscht werden. Das war jetzt eine neue Freude,
da jedes Kind auf diese Art Eier von allen Farben erhielt. Seht, sagte die
Frau, so muss man einander aushelfen. Wie es mit den Eiern hier ist, so ist es
mit tausend andern Dingen. Gott teilte seinen Gaben so aus, dass die Menschen
einander davon wechselweise mitteilen können, und so einander Freude
machen und einander lieb gewinnen sollen. Möchte doch jeder Tausch oder
Kauf, wie euer kleine Eierhandel so beschaffen sein, dass immer beide Teile
gewinnen und keiner verliere.
Der kleine Edmund las seinen Reim. Ein Köhlerknabe war darüber voll
Erstaunen. Denn damals gab es noch wenig Schulen, und mancher Erwachsener
wusste kaum, dass es um das Lesen und Schreiben etwas Schönes und
nützliches sei. Der Köhlerknabe wollte nun sogleich wissen, was denn
auf seinem Ei geschrieben stehe. O, ein unvergleichlich schönes
Sprüchlein! sagte die Frau. Höre einmal: Für Speis und Trank dem
Geber dank! Sie fragte die Kinder, ob sie dieses immer getan hätten? Jetzt
fiel es ihnen erst ein, Gott für die fröhliche Mahlzeit und die
schönen Eier zu danken, was sie denn nach Anleitung der Frau auch sogleich
von Herzen taten.
Nun wollte aber jedes Kind wissen, was auf seinem Ei stehe. Alle drängten
sich um die Frau. Alle die kleinen Händchen, und in jeder der
Händchen ein Ei, waren gegen sie ausgestreckt. Alle riefen wie mit einem
Munde: Was steht auf meinem? Wie heißt meines? O, mein Sprüchlein
zuerst lesen?
Die Frau musste Friede machen, und die Kinder in einen Kreis stellen. Jetzt las
sie in der Reihe herum ein Sprüchlein nach dem andern. Jedes Kind war voll
Begierde zu wissen, wie sein Reimchen heiße. Alle horchten auf die Frau,
und wandten lein Auge von ihr, wenn sie wieder ein Sprüchlein las.
Die Reimlein bestanden nur immer aus einigen Wörtchen. Alle zusammen,
sowohl auf den Eiern, die sie jetzt, als auf jenen, die sie nachher noch
austeilte, waren ungefähr folgende Reime:
1. Nur eins ist not, Kind, liebe Gott!
2. Gott sieht dich, Kind, drum scheu die Sünd.
3. Für Speis und Trank, dem Geber dank.
4. Ein dankbar Herz, flammt himmelwärts.
5. Vertrau auf Gott, er hilft in Not.
6. Höchst elend ist, wer Gott vergisst.
7. Wer Jesus ehrt, tut, was er lehrt.
8. Gebet und Fleiß, macht gut und weis'.
9. Fromm, gut und rein, drei Edelstein.
10. Ein gutes Kind, gehorcht geschwind.
11. Beim Eigensinn, ist kein Gewinn.
12. Ein reines Herz, erspart viel Schmerz.
13. Kind, wirst du rot, so warnt dich Gott.
14. Wie Rosen blüht, ein rein Gemüt.
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