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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
1. O wehe, da gibt's noch nicht einmal Hühner!
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Den Kindern der Frau gefiel aber das Mühlrad, das sich beständig so
geschäftig umdrehte, am besten. Den Knaben ergötzte besonders das
Klappern der Mühle und das Rauschen des Wassers, das wie siedende Milch zu
kochen schien. Das Mädchen hingegen hatte, wie sie sagte, ihre
vorzügliche Freude an den funkelnden Edelsteinen von allen Farben die im
Sonnenglanze von dem immer tröpfelnden Rade fielen. Die Frau brachte den
Tag zu, sich einzurichten, so gut es in diesem armen Tale sein konnte. die
Leute wetteiferten, sie mit Lebensmittel, mit Brennholz, irdenem
Küchengeschirre und andern Kleinigkeiten zu versehen. Das Mädchen,
das ihr zuerst den Weg in das Tal gezeigt hatte und Martha hieß, kam zu
ihr in den Dienst.
Vor allem brauche ich Eier! sagte die Frau, als sie sich zum Kochen anschickte.
Sieh doch, dass du mir für Bezahlung einige auftreibst. Eier? fragte
Martha ganz verwundert. Je, wozu denn? Närrisches Mädchen, sagte die
Frau, wozu? - zum Kochen. Gehe nur, und mache, dass du bald wieder kommest. Zum
Kochen? sagte das Mädchen; aber die Vögeleinhaben ja nun keine Eier
mehr, und dann wäre es doch auch schade. Vier Personen hätten ja wohl
einige hundert Eilein von Finken oder Hänflingen nötig, sich satt zu
essen. Was plauderst du da, sagte die Frau, wer redet denn von Eierchen der
Vögelein. Ich meine Eier von Hühnern. Das Mädchen
schüttelte den Kopf und sagte: Was das für Vögel sind,
weiß ich gar nicht. In meinem Leben habe ich noch keine gesehen. O weh,
sagte die Frau, da gibt's noch nicht einmal Hühner.
Denn da die Hühner erst aus dem Morgenlande zu uns gebracht wurden, so war
damals in manchen Gegenden ein Huhn wirklich etwas so sehr Seltenes, als jetzt
ein Pfau. Die Frau wusste sich, da hier auch nichts von Fleischspeisen zu haben
war, in ihrer kleinen Küche fast nicht zu helfen. Ich hätte nie daran
gedacht, sprach sie, was es um ein Ei für eine Wohltat Gottes ist, bis
jetzt, da ich keines haben kann. So ging's mir aber auf meiner Wanderung schon
mit hundert Dingen. Mangel und Not haben doch auch ihr Gutes, indem sie uns auf
manche Gabe Gottes, die wir bisher nicht achteten, aufmerksam machen und uns
Dankbarkeit lehren. die gute Frau musste sehr kümmerlich leben. die Leute
trugen ihr indes fleißig zu, was sie nur immer glaubten, das ihr angenehm
sein könnte. Wenn der Müller eine schöne Forelle oder ein
Köhler ein paar Krammetsvögel fing, so brachten sie ihr dieselben
sogleich. die größten dienste tat ihr aber der alte Diener, der mit
ihr gekommen war. Sie hatte noch einige goldene Kleinodien und kostbare
Edelsteine. Von diesen gab sie ihm von Zeit zu Zeit, und er verreiste damit,
und blieb oft mehrere Wochen aus. So oft er zurück kam, brachte er immer
allerlei mit, das er für die kleine Haushaltung eingekauft hatte. die
Leute bemerkten jedoch, dass die Frau nach seiner Ankunft oft sehr traurig war,
und rotgeweinte Augen hatte. sie wären gar gern dahinter gekommen, wer sie
eigentlich sei, und woher sie komme. Allein sie selbst zu fragen, hatten sie
den Mut nicht. Der alte Mann aber sagte ihnen, wenn sie ihn fragten, so
seltsame Namen, dass sie dieselben kaum nachsprechen konnten und sie in einer
Viertelstunde schon wieder vergessen hatten, bis sie endlich merkten, dass der
muntere Greis sie nur zum Besten habe. Da machten sie sich an die Kleinen. Sag
uns doch, sagten sie zum Knaben, wie heißt denn deine Mutter eigentlich?
Wir wollen es nicht weitersagen. Sag es uns nur ins Ohr. Da sagte ihnen das
Kind sehr geheimnisvoll, aber auch sehr offenherzig und zutraulich. Sie
heißt eigentlich Mama. Ähnliche Antworten gab auch das Mädchen.
die Leute mussten es also der Zeit überlassen, dieses Geheimnis zu
enthüllen.
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